
Nach Amoklauf an Grazer Schule: Österreich trauert und rätselt über das Tatmotiv

Österreich hat am Mittwoch der zehn Todesopfer des Amoklaufs an einer Grazer Schule gedacht - und rätselt weiter über die Tatmotive des 21-jährigen Schützen. In seiner Wohnung fanden die Ermittler einen Abschiedsbrief und eine "nicht funktionsfähige Rohrbombe", wie die steirische Polizei mitteilte. An der landesweiten Schweigeminute beteiligten sich auch der Ministerrat und der ORF, überall im Land läuteten Kirchenglocken und vor der Schule in Graz zündeten Trauernde Kerzen an.
Die Polizei teilte im Onlinedienst X mit, dass bei einer Hausdurchsuchung bei dem 21-jährigen Schützen, der nach der Tat Suizid begangen hatte, "ein Abschiedsbrief sowie eine nicht funktionsfähige Rohrbombe gefunden" worden seien.
Der dem Innenministerium in Wien zugeordnete Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, hatte dem ORF zuvor gesagt, dass der an die Eltern des Schützen gerichtete Abschiedsbrief keinen Hinweis auf das Tatmotiv gebe. Laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA wurde der Abschiedsbrief in analoger und digitaler Form gefunden.
Medien hatten spekuliert, dass der Täter in seiner Schulzeit gemobbt worden sei. Nach Polizeiangaben hatte er die nun angegriffene Schule besucht, aber keinen Abschluss gemacht.
Der 21-Jährige hatte am Dienstagvormittag an dem Grazer Oberstufenrealgymnasium zehn Menschen getötet. Laut Polizei handelt es sich um sieben weibliche und drei männliche Opfer. Laut APA teilte die Polizei am Mittwoch auf Nachfrage mit, die Todesopfer seien neun Schüler im Alter zwischen 14 und 17 Jahren und eine Lehrerin.
Bis auf einen Jugendlichen mit polnischer Staatsbürgerschaft handle es sich bei den Toten ausschließlich um Österreicherinnen und Österreicher. Ein Vater hatte zuvor der Nachrichtenagentur AFP gesagt, sein Sohn, ein 17-jähriger französischer Schüler, sei unter den Toten.
Elf Verletzte wurden nach dem Schusswaffenangriff am Mittwoch weiter in Krankenhäusern behandelt, neun von ihnen auf Intensivstationen. Sie alle befänden sich in einem stabilen Zustand, erklärte die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft.
Ein Religionslehrer an der Schule schilderte AFP den Tattag: Nach dem Eintreffen der Polizei hätten alle "mucksmäuschenstill" das Schulgelände verlassen. Er selbst war demnach während des Angriffs allein in einem Klassenraum, weil die Schüler derzeit ihren Matura-Abschluss machen. Als er aus der Klasse zum Treppenhaus gelaufen sei, habe er den Schützen gesehen. Dieser habe "gerade versucht, mit seinem Gewehr die Tür aufzuschießen" und sei daher abgelenkt gewesen.
Die Tat löste über die Landesgrenzen hinaus Erschütterung aus. Die Regierung in Wien ordnete eine dreitägige Staatstrauer an, die Flaggen an öffentlichen Gebäuden im Land wurden auf halbmast gesetzt. In seiner Reaktion am Dienstag sprach Bundeskanzler Christian Stocker von einer "nationalen Tragödie" und einer "unfassbaren Tat". Auch der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatten erschüttert und mit Solidaritätsbekundungen reagiert.
Am Mittwoch um 10.00 Uhr wurde eine landesweite Schweigeminute abgehalten. In Graz umarmten Menschen einander und legten vor dem Tatort weinend Blumen, Kerzen und Botschaften ab, wie eine AFP-Reporterin AFP berichtete. Ein Schüler der Schule namens Ennio beschrieb die Lage nach der Bluttat als "surreal". "Man kann es weder beschreiben, noch wirklich begreifen", sagte er.
Daher bitte er die Öffentlichkeit und die Medien, "uns zumindest für die nächsten Tage noch in Frieden trauern zu lassen". Er verwies auf Berichte, dass Schülerinnen und Schüler "belästigt" und bedrängt worden seien, sich zu der Tat zu äußern.
An dem Gedenken am Mittwoch beteiligten sich die Kirchen im Land, darunter auch der Wiener Stephansdom, mit Trauergeläut, wie APA berichtete. Auch der Ministerrat hielt demnach eine Trauerminute ab, der Sender ORF unterbrach sein Fernseh- und Radioprogramm und in der Hauptstadt Wien standen rund 900 Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs still. Auf Anzeigentafeln an den Haltestellen stand zu lesen: "Wir stehen zusammen für Graz"
Zur Aufarbeitung der Tat gehört auch eine Debatte über das Waffenrecht. Der Angriff war mit einem Gewehr und einer Kurzwaffe verübt worden, die der Täter legal besaß. Laut APA besaß der 21-Jährige eine Waffenbesitzkarte, deren Erwerb unter anderem mit einem psychologischen Test verbunden ist. Der Nationale Sicherheitsrat will sich laut APA am Donnerstagnachmittag mit dem Fall befassen.
Wegen der Bluttat in Graz wurden laut APA eine Vielzahl von Veranstaltungen abgesagt. Oper und Schauspielhaus in der zweitgrößten Stadt Österreichs setzten demnach ihren Spielbetrieb bis mindestens einschließlich Donnerstag aus.
Die Gewalttat überschattete auch ein WM-Qualifikationsspiel der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft gegen San Marino. Deren deutscher Trainer Ralf Rangnick sagte laut APA nach dem 4:0-Sieg in der anschließenden Pressekonferenz, er habe "einen seiner schwierigsten Tage als Trainer" erlebt. Vor dem Spiel hatten beide Mannschaften eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer in Graz abgehalten.
F.Jablonski--GL