
Ex-BND-Chef Hanning spricht mit afghanischem Ex-Präsident Karsai über Abschiebungen

Der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, hat mit dem früheren afghanischen Präsidenten Hamid Karsai über Möglichkeiten der Abschiebung afghanischer Staatsangehöriger in ihre Heimat gesprochen. Dabei sei auch die Einrichtung einer von Deutschland betreuten Zone für abgeschobene Afghanen in dem Land erörtert worden, sagte Hanning am Donnerstag dem TV-Sender Welt. Es müssten Bedingungen für "eine gute und vernünftige Rückführung" geschaffen werden.
Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung über das Treffen im Berliner Hotel Adlon berichtet. Der Zeitung zufolge verfügt Karsai über enge Kontakte zu den radikalislamischen Taliban, die seinen Nachfolger Aschraf Ghani 2021 von der Macht verdrängt hatten. Offizielle Verhandlungen mit den Taliban im Auftrag der Bundesregierung seien bei dem Treffen nicht geführt worden, betonte Hanning. "Ich habe ja auch kein Mandat von der Bundesregierung, und die ist ja auch gar nicht unterrichtet worden."
Karsai soll sich Hanning zufolge dem Plan gegenüber aber "durchaus aufgeschlossen" gezeigt haben. "Die Idee ist, dass man in Afghanistan eine Einrichtung, ein Dorf, vielleicht sogar eine Stadt schafft, wo man die Leute unterbringen kann, wo sich auch Deutschland drum kümmern kann, dass sie dort einen Beruf erlernen, dass sie sozusagen integriert werden, auch in die afghanische Gesellschaft mit den Fähigkeiten und Möglichkeiten, die man dort anbieten kann", sagte Hanning bei Welt.
Das Treffen sei auf Bitten der afghanischen Seite zustande gekommen, sagte Hanning. Er verwies darauf, dass es ein eigenes Migrationsministerium in Kabul gebe. "Da hat sich gezeigt, dass man offen ist für Gespräche mit Deutschland, auch solche Rückführungen zu ermöglichen. Also wir laufen da offene Türen ein in Kabul."
In der schwarz-roten Koalition herrscht jedoch weiter Uneinigkeit über direkte Gespräche mit den Taliban über Abschiebungen. Dafür warb im Sender Welt erneut der CDU-Innenpolitiker Alexander Throm. Er argumentierte, dass es auch bisher schon "sogenannte technische Kontakte" zu den Taliban gegeben habe. Allerdings ging es dabei um entwicklungspolitische Fragen sowie die Ausreise von Menschen aus Afghanistan.
"Mit einer Gruppierung, die Frauen und Mädchen systematisch Bildung, Arbeit und Freiheit verweigert, die öffentliche Gewalt ausübt, Andersdenkende verfolgt und grundlegende Menschenrechte mit Füßen tritt, kann es aktuell keinen Dialog geben", sagte dagegen der außenpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Adis Ahmetovic. Als "deutliches Signal" wertete er auch die vom Internationalen Strafgerichtshof verhängten Haftbefehle gegen Anführer der Taliban. "Wer die Würde des Menschen derart missachtet, ist kein legitimer Gesprächspartner – weder diplomatisch noch moralisch", stellte der SPD-Politiker klar.
"Wir erkennen das De-Facto-Regime der Taliban nicht als die rechtmäßige Regierung Afghanistans an", bekräftigte Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) am Rande von politischen Gesprächen in Wien. "Wir haben vor allem über das Verbindungsbüro für Afghanistan mit Sitz in Doha auf technischer Ebene mit Vertretern der De-Facto-Regierung in Afghanistan Kontakt", fügte er hinzu. "Das war es und das ist es und es gibt auch keine darüber hinausgehenden Kontakte des Bundesinnenministeriums."
Auch Wadephul verwies auf "schwere Besorgnisse" mit Blick auf die Menschenrechtssituation in Afghanistan "und insbesondere, was die Situation von Frauen und Mädchen angeht". Dies werde die Bundesregierung auch weiterhin "gegenüber dem De-Facto-Regime der Taliban deutlich machen".
Grünen-Fraktionsvize Agnieszka Brugger warf Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) vor, deutsche Außenpolitik "einer zynischen Ideologie" zu opfern. "Das ist Politik ohne sicherheitspolitischen Kompass und ohne Anstand", erklärte sie in Berlin.
G.Grabowski--GL