
Trotz Kritik: Bundesregierung verteidigt Zurückhaltung bei Appell zu Gaza-Krieg

Trotz wachsender Kritik aus SPD und Opposition hat die Bundesregierung ihre Entscheidung verteidigt, den Appell von 28 Staaten für ein sofortiges Ende des Krieges im Gazastreifen nicht zu unterzeichnen. "Niemand kann von uns verlangen, dass wir Israel im Stich lassen", sagte Außenminister Johann Wadephul der Wochenzeitung "Die Zeit". Kanzleramtschef Thorsten Frei (beide CDU) betonte am Mittwoch, dass die Diskussion keine Auswirkungen auf den Koalitionsfrieden habe.
Wadephul bekräftigte, dass "das perfide Spiel der Hamas nicht aufgehen" dürfe, die Geiseln und die Bevölkerung in Gaza weiter "als Faustpfand" zu nehmen. Deutschland könne in dem Konflikt kein "neutraler Mittler" sein, "weil wir parteiisch sind. Wir stehen an der Seite Israels."
Zunächst 25 Länder, darunter Großbritannien, Frankreich und Italien, hatten am Montag in einer gemeinsamen Erklärung ein sofortiges Kriegsende im Gazastreifen gefordert. Am Dienstag schlossen sich drei weitere Länder sowie die EU-Kommission an. Die unterzeichnenden Länder fordern Israel auf, "seinen Verpflichtungen gemäß dem humanitären Völkerrecht nachzukommen".
Deutschland gehört nicht zur Reihe der Unterzeichner. Die SPD-Bundestagsfraktion forderte die Bundesregierung aber auf, den Appell noch zu unterstützen. Aus der Regierung schloss sich Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) der Forderung an. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt wies die Kritik aus der SPD noch am Dienstag zurück.
Kanzleramtsminister Frei begründete die Entscheidung der Bundesregierung am Mittwoch mit einer aus seiner Sicht mangelnden Ausgewogenheit der Erklärung. So sei die "Abfolge (...) in diesem Schreiben nicht klar genug gewesen". Es müsse klargestellt werden, dass der Ausgangspunkt für den Krieg "der Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023" gewesen sei und dass die Hamas immer noch Geiseln gefangen halte, sagte er im ZDF.
Der Kanzleramtschef sieht die Regierungskoalition trotz der Kritik der SPD nicht beschädigt. "Da geht kein Löschblatt zwischen die Partner", sagte er. "Über die Form und die Wege zum gemeinsamen Ziel darf man auch mal unterschiedlicher Meinung sein", fügte er gleichwohl hinzu. "Wir sprechen über alles in der Koalition, das ist bei guten Partnern der Fall."
Regierungssprecher Stefan Kornelius betonte, dass sich das Bundeskabinett "ausführlich mit diesem Thema beschäftigt" habe. "Ich kann Ihnen versichern, dass es einen sehr, sehr hohen Konsens gab bei der Positionierung der Bundesregierung."
Vor Wadephul und Frei hatte auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) die Nichtbeteiligung Deutschlands verteidigt. "Wir haben lange vorher im Europäischen Rat genau diese Position eingenommen", sagte er am Dienstagabend. Er habe zudem als einer der Ersten, "in aller Deutlichkeit" gesagt, dass die Zustände im Gazastreifen nicht länger hinnehmbar" seien. Auch Merz sieht in der Frage "keine Meinungsverschiedenheiten" in der Koalition.
SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese zufolge laufen zu dem Vorgang nun Gespräche zwischen Wadephul und der SPD-Fraktion. "Wir sind dazu jetzt mit Außenminister Wadephul im Gespräch, um zu erörtern, warum man sich der Erklärung nicht hätte anschließen können", sagte Wiese. Er bekräftigte, die Regierung hätte sich "sehr gut anschließen können".
Kritik an Deutschlands Zurückhaltung kam nun auch von Grünen und Linken. Diese sei ein "vollkommen unverständlich und ein fatales Zeichen", schrieb die Grünen-Chefin Franziska Brantner im Onlinedienst X. Damit isoliere sich Deutschland "von unseren Partnern". Die Linken-Abgeordnete Lea Reisner nannte die "Passivität Deutschlands" in der Sache "schlicht unerträglich". Die Bundesregierung müsse ihre Waffenlieferungen an Israel einstellen und Palästina als Staat anerkennen.
Die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) wies die Kritik dagegen zurück. Die Forderung der SPD-Fraktion habe die DIG "erheblich irritiert", erklärte deren Präsident Volker Beck. "Viele, gerade in der SPD, scheinen vergessen zu haben, wie dieser Krieg begann: mit dem genozidalen Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023."
Z.Kaczmarek--GL