
Wadephul stärkt UNO für Hilfseinsätze im Gazastreifen den Rücken

Angesichts der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen hat Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) den UN-Hilfsorganisationen den Rücken gestärkt und von Israel freien Zugang der internationalen Helfer in das Palästinensergebiet gefordert. Die Vereinten Nationen müssten die Möglichkeit erhalten, "Hilfsgüter sicher zu transportieren und zu verteilen", sagte Wadephul am Freitag beim Besuch einer UN-Einrichtung in Jerusalem. Deutschland stellt demnach dem UN-Welternährungsprogramm (WFP) zusätzliche fünf Millionen Euro zur Verfügung.
"Damit werden unter anderem Bäckereien und Suppenküchen unterstützt", fuhr Wadephul fort. In den von Israel eingerichteten täglichen temporären Kampfpausen für Teile des Gazastreifens müssten nun wieder Güter durch die UNO verteilt werden können, forderte der Minister. Auf Betreiben Israels hat die umstrittene Humanitarian Foundation (GHF) die bisher zuständigen UN-Organisationen als Hauptverteiler von Hilfsgütern im Gazastreifen abgelöst. Rund um GHF-Verteilzentren starben immer wieder Zivilisten durch Schüsse.
Die humanitäre Lage im Gazastreifen hat laut Wadephul einen nie dagewesenen Tiefpunkt erreicht, in weiten Teilen des Gebiets herrsche Hunger. Um die humanitäre Katastrophe in dem Gebiet zu lindern, setze Deutschland weiterhin auf das UN-geführte Hilfssystem. Darauf hatte Wadephul am Donnerstag auch bei seinen Gesprächen mit seinem israelischen Kollegen Gideon Saar sowie Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Staatspräsident Isaac Herzog gepocht. "Die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen muss jetzt beendet werden", sagte Wadephul.
Die deutsche humanitäre Hilfe für die Palästinensischen Gebiete beläuft sich nach Regierungsangaben auf insgesamt mehr als 330 Millionen Euro seit Beginn des Gaza-Kriegs, den die islamistische Hamas mit ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst hatte. Etwa 95 Prozent davon wird für die Bevölkerung im Gazastreifen eingesetzt. Zuletzt wurden die Hilfen im Mai 2025 um bis zu 30,7 Millionen Euro aufgestockt.
Wadephul kündigte zudem die Eröffnung eines neuen Feldkrankenhauses im Gazastreifen an. Die Bundesregierung unterstütze die Malteser dabei, zusammen mit dem Lateinischen Patriarchat Jerusalem ein Feldkrankenhaus in der Stadt Gaza bereitzustellen. Vorgefertigte Klinikcontainer trafen demnach bereits im April 2025 in Israel ein. Die Klinik und weitere medizinische Versorgungsgüter sollen in den nächsten Tagen in den nördlichen Gazastreifen geliefert werden. Sobald das Krankenhaus in Betrieb sei, würden dort dringend benötigte Basisgesundheitsdienstleistungen angeboten.
Wadephul war am Donnerstag zu einem erneuten Nahost-Besuch in Israel eingetroffen. Im Auftrag des Sicherheitskabinetts in Berlin sollte er dabei die zentralen Forderungen der Bundesregierung an die Partner in Israel und die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland übermitteln und die Bereitschaft zu Zugeständnissen ausloten: eine deutliche Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen, die Entmachtung der dort herrschenden islamistischen Hamas und Deutschlands Position zu einer "verhandelten" Zweistaatenlösung.
Wadephuls Besuch findet inmitten wachsenden internationalen Drucks auf Israel statt, deutlich mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu ermöglichen. In den vergangenen Tagen erhöhten Länder wie Frankreich und Großbritannien den Druck auch dadurch, dass sie die Anerkennung eines Palästinenserstaates ankündigten oder in Aussicht stellten. Die Bundesregierung hingegen sieht laut Wadephul "die Anerkennung eines palästinensischen Staats eher am Ende des Prozesses". "Aber ein solcher Prozess muss jetzt beginnen", forderte er am Donnerstag.
Nach Wadephuls Gesprächen mit UN-Vertretern ist unter anderem ein Treffen mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah geplant. Hier dürfte auch die von einigen israelischen Politikern geforderte Annexion des Westjordanlandes Thema sein. Dazu hatte Wadephul am Donnerstagabend "Klarheit" gefordert, "dass keine Politik der Vertreibung und keine Politik der aktiven Annexion betrieben wird".
Wadephul traf sich am Freitagmorgen zudem mit Angehörigen der nach wie vor im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln. "Deutschland tut weiter alles in unserer Macht stehende, um eine Befreiung der Geiseln zu erreichen", sagte Wadephul. Der Minister äußerte sich zudem entsetzt über ein am Vortag von der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad veröffentlichtes Video einer deutsch-israelischen Geisel. Diese "schreckliche" Aufnahme zeige "aufs Neue die ganze Niedertracht der Geiselnehmer".
In dem sechsminütigen Video war offenbar der 21-jährige Rom Braslavski zu sehen, der am 7. Oktober 2023 von dem Musikfestival Supernova verschleppt worden war. Derzeit befinden sich noch 49 Geiseln im Gazastreifen, 27 von ihnen sind nach Angaben der israelischen Armee bereits tot. Nach Angaben des Auswärtigen Amts aus dieser Woche ist unter den von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Geiseln noch eine "einstellige Zahl" von deutschen Staatsangehörigen.
H.Kolodziej--GL