
Hilfsorganisation: Flug mit Afghanen in Hannover gelandet

Deutschland hat eine weitere Gruppe ehemaliger afghanischer Ortskräfte aufgenommen. Am Montag landete ein Flugzeug mit 46 Afghaninnen und Afghanen in Hannover, wie die Hilfsorganisation Kabul Luftbrücke mitteilte. Sie sollten in die Erstaufnahmeeinrichtung in Friedland gebracht werden. Eine weitere Afghanin wurde für den Abend erwartet - sie hatte nach einem Zwischenstopp in Istanbul den Anschluss nach Hannover verpasst.
Die Einreise der Afghaninnen und Afghanen wurde erst nach juristischer Intervention möglich. Nach dem Regierungswechsel in Berlin hatte die neue unionsgeführte Bundesregierung die Aufnahmen stark eingeschränkt. Alle der nun in Hannover Angekommenen hätten zuvor den Rechtsweg in Deutschland beschritten, um ihre Einreise zu ermöglichen, erklärte die Hilfsorganisation Kabul Luftbrücke.
Die Afghaninnen und Afghanen hätten dabei alle in der ersten und teilweise auch in der zweiten Instanz Recht bekommen, sagte die Sprecherin von Kabul Luftbrücke. In einigen Fällen habe das Auswärtige Amt keine Beschwerde gegen die Urteile eingelegt oder die Beschwerde zurückgenommen.
Laut Kabul Luftbrücke kommen die meisten der Passagiere aus den Bereichen Politik, Justiz, Journalismus und Medien. Auch seine Militärärztin sei an Bord. Den Angaben zufolge handele es sich insgesamt um zehn Familien, überwiegend um Frauen und Kinder. Acht Frauen und zwei Männer seien so genannte Hauptantragsteller, bei dem Rest handle es sich um Familienangehörige.
Die Bundesregierung hatte in der vergangenen Woche angekündigt, einzelne nach Pakistan geflohene Afghaninnen und Afghanen doch noch aufzunehmen. Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, Aufnahmeprogramme weitgehend einzustellen. Gerichte hatten aber den Aufnahmeanspruch von Menschen mit verbindlicher Zusage festgestellt.
Das Bundesinnenministerium betonte trotzdem, dass alle Aufgenommenen eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen müssten. Ein Ministeriumssprecher sagte am Montag, "dass diese Prüfungen mit aller Sorgfalt gemacht werden müssen und dass diese einige Zeit in Anspruch nehmen".
Mehr als 90 Prozent derjenigen, die noch nach Deutschland kommen wollen, hätten "noch nicht alle schritte im Aufnahmeverfahren bewältigt", sagte der Sprecher. "Wenn eine Rechtsverbindlichkeit vorliegt und die Sicherheitsprüfung durchlaufen sind, dann ist es auch möglich, dass die Menschen sukzessive nach Deutschland einreisen können."
Das Auswärtige Amt geht nach Angaben vom Montag davon aus, dass noch rund 2300 Afghaninnen und Afghanen auf Ausreise nach Deutschland warteten. 2100 von ihnen seien in Pakistan, der Rest in Afghanistan. Es gelte, "dass an einer Rückreise gearbeitet wird", sagte ein Sprecher.
Mehrere Dutzend von ihnen versuchten, ihre Einreise über Gerichtsentscheidungen in Deutschland zu ermöglichen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts bezifferte die Zahl der anhängigen Eilverfahren auf etwa 85, diese Zahl schwanke allerdings stark.
Die radikalislamischen Taliban hatten im August 2021 die Macht in dem Land übernommen. Seither gibt es dort schwere Menschenrechtsverletzungen, von denen insbesondere Frauen betroffen sind. Gleichwohl hatten Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, Aufnahmeprogramme "soweit wie möglich" zu beenden.
Im Rahmen dieser Programme erhielten Menschen Aufnahmezusagen, die vor der Machtübernahme der Taliban für die Bundeswehr oder andere Institutionen gearbeitet hatten oder die aus anderen Gründen als besonders gefährdet eingestuft wurden - etwa Frauenrechtlerinnen oder Menschenrechtsaktivisten.
Der Obmann der Union im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), forderte von der Bundesregierung, allen Ortskräften aus Afghanistan mit einer Aufnahmezusage die Einreise nach Deutschland zu erlauben. Das sei ein "Zeichen der Verlässlichkeit", sagte Kiesewetter am Montag im RBB-Inforadio.
Wenn Verlässlichkeit fehle, könnte das Auswirkungen auf künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr haben: "Stellen Sie sich vor, wir stellen dann wieder Ortskräfte für unsere Bundeswehr ein und dann gilt hinterher keine Schutzzusage, wenn so ein Einsatz schiefgeht", sagte Kiesewetter. Das sei genau das, was in Afghanistan geschehen sei.
Bundestagsvizepräsident Omid Nouripour (Grüne) kritisierte die Bundesregierung für ihre Rhetorik rund um die Afghanistan-Flüge. Das Versprechen, es würden keine Flieger mehr aus Afghanistan kommen, sei "schlimmes Wahlkampfgetöse" gewesen, sagte Nouripour dem Sender Welt TV. Dass von Gerichten angeordnet nun doch Flüge kämen, hätte die Regierung bei einer differenzierteren Betrachtung der Afghanistan-Problematik "deutlich einfacher und ohne diese Niederlage" haben können.
T.Wisniewski--GL