
Koalitionsausschuss tagt Mittwoch zu Sozialreform - Merz und Söder machen Druck

Die Spitzen von Union und SPD wollen am Mittwoch in einem Koalitionsausschuss über die anvisierten Sozialreformen beraten. Die Vorsitzenden von CDU und CSU, Friedrich Merz und Markus Söder, bekräftigten am Montag ihre Forderung nach einer grundlegenden Reform der Sozialsysteme, denen ihrer Ansicht nach die finanzielle Überlastung droht. SPD-Ko-Chefin Bärbel Bas hatte solche Warnungen zuvor mit drastischen Worten zurückgewiesen und von "Bullshit" gesprochen.
Kanzler Merz sagte bei einem Besuch in Münster, die Sozialreformen seien "notwendig" und "überfällig". Er fügte hinzu: "Deswegen bleibt meine Feststellung richtig: Wir können es so nicht machen wie in der Vergangenheit."
Merz reagierte damit auf Aussagen von SPD-Bundesarbeitsministerin Bas. Die Ministerin hatte am Wochenende in einer Rede vor dem NRW-Landesverband der Jusos gesagt: "Diese Debatte gerade, dass wir uns diese Sozialversicherungssysteme und diesen Sozialstaat finanziell nicht mehr leisten können, ist - und da entschuldige ich mich jetzt schon für den Ausdruck - Bullshit."
Der Kanzler wollte diesen Worten nicht allzu viel Gewicht beimessen. "Insbesondere wenn man bei den Jusos spricht, muss man wohl etwas drastischer sprechen, um auch Zustimmung zu bekommen", sagte er in Münster. Er wolle solche Worte "nicht auf die Goldwaage" legen. Er gehe davon aus, dass der Koalitionsausschuss am Mittwoch "in einer sehr guten und sehr anständigen Atmosphäre" stattfinden werde.
CSU-Chef Söder legte vor dem Treffen der Koalitionsspitzen mit einer Forderung nach einschneidenden Sozialreformen nach. "Es braucht harte Reformen", sagte der bayerische Ministerpräsident der "Augsburger Allgemeinen". "Nur so bleiben wir leistungsfähig und können weiterhin denjenigen helfen, die wirklich Hilfe benötigen."
"Die Kosten explodieren nicht nur bei der Migration, sondern im gesamten sozialen Bereich", warnte Söder. Das schwäche Deutschland "von den Kommunen bis zum Bund". Der Sozialstaat brauche daher "ein grundsätzliches Update". Söder forderte, die geplante Ablösung des Bürgergelds durch eine neue Grundsicherung für deutliche Einschnitte zu nutzen. "Das Bürgergeld muss komplett geändert werden". Dies bedeute "weniger Leistungen und mehr Anreize zur Arbeit".
Die Zumutbarkeitsregeln bei Jobangeboten müsse verschärft werden, außerdem seien strengere Regeln beim Wohngeld und beim Schonvermögen nötig, sagte der CSU-Chef. Mit solchen Reformen könne der Staat "viele Milliarden einsparen".
Union und SPD diskutieren zudem weiterhin über Steuererhöhungen. Die Generalsekretäre Tim Klüssendorf (SPD) und Carsten Linnemann (CDU) bekräftigten am Montag ihre unterschiedlichen Auffassungen.
Das Thema Steuererhöhung "ist weiterhin für uns auf dem Tisch", sagte Klüssendorf im ZDF-"Morgenmagazin". Es gehöre "zur Gesamtsituation dazu", fügte er an. Es stehe nicht im Koalitionsertrag mit der Union, keine Steuererhöhungen zu machen.
Klüssendorfs CDU-Kollege Linnemann wandte sich - wie zuvor Merz und Söder - klar gegen eine Steuererhöhung. Trotz des milliardenschweren Finanzpakets für Verteidigung und Infrastruktur werde den Menschen gesagt, dass nicht genug Geld da sei, beklagte Linnemann ebenfalls im ZDF-"Morgenmagazin". "Und deswegen, finde ich, ist das nicht der richtige Weg."
Der Präsident des Wirtschaftsinstituts ifo, Clemens Fuest, warnte vor einer stark steigenden Zinslast im Bundeshaushalt, sollten Reformen bei den Staatsausgaben verschleppt werden. Seiner Schätzung zufolge könnten ohne Reformen bis 2024 rund 13 Prozent des deutschen Haushalts in Zinszahlungen fließen. "Klar ist, dass bei höherer Zinslast weniger Geld für andere Aufgaben übrigbleibt, was den Reformdruck erhöht", erklärte der Ökonom am Montag. Bundesausgaben müssten kritisch geprüft und reduziert werden, vor allem was den Bereich Soziales, Kranken- und Pflegeversicherung angeht.
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, fordert eine stärkere Beteiligung der Generation der Babyboomer an den Kosten für Rente, Gesundheit und Pflege. "Die Babyboomer müssen endlich Verantwortung für ihr Handeln übernehmen", sagte der DIW-Chef der "Süddeutschen Zeitung". Fratzscher plädiert dafür, ältere Vermögende über einen sogenannten Boomer-Soli stärker an der Finanzierung der Sozialsysteme zu beteiligen und ärmere Ruheständler mehr zu unterstützen.
U.Krajewski--GL